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AutorenbildMatthias Brinkert

GHG Protocol & LCA – Vorbereitung zur Einführung einer Software, Teil 2: Planung eines Bilanzierungsprojekts


Dieser Beitrag richtet sich an Projektverantwortliche, die einen Überblick und ein Gefühl dafür benötigen, was bei der Erstellung von Klima- und Ökobilanzen zu beachten ist.

 

Im Kontext eines Projekts zur Einführung einer Bilanzierungssoftware beschäftigte sich Teil 1 bereits mit methodisch-basierten Aspekten im Rahmen der Vorbereitung. Teil 2 basiert auf diesem Blogbeitrag und führt ihn inhaltlich fort.

 

Dieser Artikel richtet sich ebenfalls an diejenigen, die eine Bilanz durch externe Berater erstellen lassen möchten, d.h. auch ohne die Absicht der Software-Einführung. Im Grunde bestehen an dieser Stelle keine Unterschiede in der Planungsaktivität.



Der Weg zum erfolgreichen Projekt



Jedes Projekt hat seinen eigenen Charakter. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor dabei ist stets das Projektteam. Da diesem oftmals die nötige Praxiserfahrung im Bereich der ökologischen Bilanzierung fehlt, richtet dieser Beitrag die allgemeinen Projektmanagement-Instrumente auf diejenigen Faktoren aus, die bei einem erstmaligen Projekt im Bereich der Klima- und Ökobilanzierung zu beachten sind.


 

Projekt planen

 

Ein Projekt zeichnet sich durch die Einhaltung von Vorgaben in Zeit, Budget und Qualität aus. Im Kontext der Klima- und Ökobilanzierung existieren besondere Fallstricke, die jedes Unternehmen im Kontext bisheriger Erfahrungen individuell stark beachten sollte.

 

Zeit

Zusätzlich zu den üblichen Zeitpuffern (Projektmanagement, Feiertage, Urlaubszeiten, etc.) ist insbesondere für die Datenerhebung ein zusätzlicher Zeitaufwand einzuplanen. Die Datenerhebung ist zentraler Bestandteil eines jeden Bilanzierungsprojekts: egal ob es sich um ein einmaliges Projekt für die Erstellung einer Ökobilanz, dem erstmaligen Betrieb einer Bilanzierungssoftware oder der Aufnahme eines zusätzlichen Bilanzierungsobjekts in einem existierenden Datenmodell handelt. Die Datenerhebung ist generell einer der zeitkritischsten Faktoren des Projekts und lässt sich im Vorfeld mitunter am schwierigsten prognostizieren. Insbesondere dann, wenn das Unternehmen auf Daten und Expertise von externen Akteuren wie Lieferanten und Entsorgungsunternehmen angewiesen ist. Sollten in der Vergangenheit bereits Daten aus externen Quellen erhoben worden sein, sollte man an dieser Stelle auf diese Erfahrungswerte zurück greifen. Gab es dabei bereits zeitliche Engpässe ist rechtzeitig zu prüfen, wie diese künftig zu umgehen sind.

 
Budget

Ein weiteres wichtiges Thema stellt die Budgetplanung dar. Während externe Berater ihren Aufwand meist gut abschätzen können, stellt die Aufwandsabschätzung zum eigenen, internen Aufwand viele Verantwortliche aufgrund mangelnder Erfahrung vor eine große Herausforderung. Es gilt abzuschätzen, welche Erfahrungen einzelne Teammitglieder bereits gesammelt haben und auf welche Weise sich Synergien zwischen ihnen ergeben können. Zudem ist es ratsam, punktuell (intern) Experten*innen für spezielle Fragestellungen hinzuzuziehen. Dies kann bspw. für Datenbankabfragen oder diverse Recherchearbeiten sinnvoll sein. Externe Unterstützung sollte pauschal bei methodischen Fragestellungen eingeplant werden (bspw. bei den Themenfeldern Energie, Abfall, Wasser).

 

Im Rahmen einer Software-Implementierung sind neben dem Budget für internes Personal und externen Beratungsleistungen ebenfalls die IT-Kosten für Server-, Software- und Datenbank-Lizenzen sowie für den hiermit verbundenen Implementierungsaufwand der eigenen IT in das Budget mit aufzunehmen.

 

Qualität

Die Projektqualität sollte ebenfalls im Vorfeld definiert werden. Am Beispiel der Software-Implementierung lässt sie sich beispielsweise anhand folgender Kriterien ableiten:

-        Produkt: die Software läuft fehlerfrei und ist für alle Nutzer eingerichtet. Unter Umständen ist eine Testphase und Abnahme der Software einzuplanen.

-        Ergebnisse: Die Daten stimmen mit vergleichbaren Objektergebnissen überein und tragen qualitativ zu der Zieldefinition bei.

-        Bei LCAs und EPDs*: erfolgreiche Durchführung einer Verifikation auf Produkt- oder Systemebene

* Ein besonderer Punkt bei Ökobilanzen (LCA), deren Ergebnisse in die externe Kommunikation einfließen, bildet die normativ vorgeschriebene kritische Prüfung. Diese wird durch eine unabhängige, externe Instanz durchgeführt. Das sog. Review ist als zusätzlicher Zeitaufwand und Kostenpunkt zu berücksichtigen.

Für Unternehmen, die Umweltproduktdeklarationen (EPD) veröffentlichen möchten, kommen weitere Kosten für den obligatorisch notwendigen EPD-Programmbetrieb hinzu.

Zur Vorgehensweise in Ökobilanzen- und EPD-Projekten werden wir einen separaten Blogbeitrag verfassen.



Datenerhebung planen

 

Verantwortliche sollten frühzeitig klären, welche Daten für die unterschiedlichen Scopes (Klimabilanz) bzw. Lebenswegabschnitte (Produktbilanz) benötigt werden. Darauf basierend sind Datenquellen zu identifizieren und diejenigen Abteilungen mit einzubinden, die in der Lage sind, die benötigten Daten zu generieren.

 

Die Datenquellen sind entscheidend für die im Vorfeld definierte Ergebnisqualität. Der Implementierungsaufwand hängt entscheidend davon ab, wo (intern oder extern) und in welchem konkreten Format die Daten vorliegen. Im Idealfall liegen die benötigten Daten bereits intern in digitaler Form vor und sind direkt, d.h. ohne weitere Bearbeitung, verwendbar. Dies ist in der Praxis jedoch nur selten der Fall. In der Regel muss man von unterschiedlichen Formaten ausgehen, in denen die Informationen vorliegen. Beispiele hierfür sind Einzelbelege in Papierform und aggregierte Jahresendabrechnungen, aus denen die benötigten Informationen zu entnehmen sind. Diese Werte sind in Mengenangaben umzurechnen. Als Beispiel sei die Umrechnung von Längen- und Flächenmaßen, Volumen und Litern genannt, die, um eine „seriöse“ Bilanzierung vornehmen zu können, in eine Gewichtseinheit (kg, to) zu transferieren sind. Unter „seriös“ ist an dieser Stelle die Verwendung international anerkannter Datenbanken zu verstehen, die in der Regel auf die Input-Output-Struktur einer Bilanz abzielen. D.h. die Gewichte, die inputseitig in ein System einfließen, müssen das System auf der Output-Seite wieder verlassen, so dass die Bilanz in der Menge ausgeglichen ist. Liegen keine konkreten Informationen vor, um eine Menge berechnen zu können, sind konservative Abschätzungen und Annahmen möglich. Dies ist generell bei Informationen der Fall, die sich auf ein System beziehen, für das jedoch nur Daten eines Teilsystems benötigt werden. Ein Beispiel hierfür ist der Stromverbrauch: es existiert nur ein zentraler Zähler oder eine Jahresendabrechnung für die gesamte Organisation. Die Bilanzierung bezieht sich jedoch nur auf den Produktionsbereich. Hier müssen (nachweislich) konservative Abschätzung erfolgen, um verwertbare Daten für die Bilanzierung zu erhalten.

 

Speziell bei der Klimabilanzierung existieren Ansätze, um auf Basis einer kaufmännischen Buchhaltung die CO2-e Emissionen umzurechnen. Hier werden von ökonomischen Werten ausgehend (Preise in einer Währung wie dem Euro) die klimarelevanten Emissionen für die eingekauften Materialien/Artikel abgeleitet. Auch wenn die Qualität der Ergebnisse für das Reporting zunächst in ausreichendem Maße anerkannt ist, so ist zu beachten, dass dieser Ansatz im Grunde nur für Standard-Objekte wie bspw. Büromaterialien und Treibstoffe etc. funktioniert. Speziell bei komplexeren Bilanzierungsobjekten wie Metalllegierungen, Kunststoff-Compounds oder ganzen Elektrokomponenten und Baugruppen, etc. liefert dieser Ansatz kaum verwertbare Ergebnisse.

 

Für die Ökobilanzierung liefert die Materialwirtschaft, die zentraler Bestandteil eines jeden ERP-Systems ist, die grundlegenden Daten. Der Fokus liegt auf den Stücklisten und Materialstämmen der zu untersuchenden Objekte. Dort befinden sich Informationen zu dessen Input an Rohstoffen, Halbzeugen, Zukaufmaterialien, Verpackungen, usw. Abfalldaten liegen in der Regel im Umweltmanagement, Energiedaten im Energiemanagement vor.

 

Je nach vorliegender Datenlage lassen sich Informationen im Bottom-up oder Top-down Verfahren erheben. Plausibilitätschecks sichern die Datenerhebung ab. Diese Vorgehensweise lässt auf eine hohe Datenqualität schließen und bildet die Basis, für die Auswahl adäquater Datensätze, die in der Regel aus homogenen und international anerkannten Datenbanken stammen.

 

Generell ist zu bedenken, dass der Wechsel von Datenquellen immer zu Schwankungen in den Ergebnissen führen wird. Beginnt ein Unternehmen mit einer niedrigen Datenqualität ist darauf zu achten, dass die Ergebniswerte stets mit Sicherheitszuschlägen versehen sind (abhängig von der mit der Datenlage einhergehenden Unsicherheit, durchschnittlich 10 %). Dies garantiert, dass die Emissionswerte bei Erhöhung der Datenqualität sinken. Neben einem konservativen Ansatz, der methodisch vorgeschrieben ist, bietet diese Vorgehensweise eine Motivation, die Datenqualität im Laufe der Zeit sukzessive zu erhöhen.



Projektteam zusammenstellen

 

Auch wenn die Zusammenstellung des Projektteams wohl eher als allgemein und weniger als spezifisches Projektkriterium im Zusammenhang mit Öko- und Klimabilanz zu verstehen ist, soll an dieser Stelle nochmal auf die Wichtigkeit der Teammitglieder und deren Rolle im Rahmen von Projekten mit Nachhaltigkeitsbezug eingegangen werden. V.a. vor dem Hintergrund der oben beschriebenen Komplexität, die sich im Rahmen der Datenerhebung ergeben kann, sollte man das Augenmerk auf verschiedene Eigenschaften innerhalb des Projektteams richten.

 

Die Projektleitung sollte sich der Verantwortung für das Thema bewusst und entsprechend motiviert sein. Gerade im Bereich der Nachhaltigkeit spielt die persönliche Einstellung und intrinsische Motivation der involvierten Personen eine bedeutende Rolle. Im Grunde betreten viele Unternehmen mit dem Thema Neuland. Wie bei allen neuartigen Themengebieten gibt es viele Stimmen, die sich dafür und auch dagegen aussprechen. Viele Personen im unternehmerischen Umfeld erkennen darin keinen Mehrwert und sehen die hiermit verbundenen Aufgaben als zusätzliche Last in ihrem eigenen Arbeitsalltag oder dem ihrer Kollegen*innen an. Eine positive Einstellung hilft den Projektmitgliedern in der Regel dabei, diese (emotionalen) Hürden zu überwinden und ihre positive Grundstimmung auf das betriebliche Umfeld zu übertragen. Die Chancen im Neuen zu erkennen und diese zu kommunizieren sollte ebenso, wie die Bedenken der Belegschaft ernst zu nehmen und diese zu reflektieren, zum Persönlichkeitsprofil der Projektleitung gehören.

 

Aus fachlicher Sicht empfiehlt es sich, dass die Projektleitung für den Aufbau einer Klimabilanz aus dem Nachhaltigkeitsmanagement, für eine Produktbilanz aus dem Produktmanagement stammt. Es ist wichtig, sicherzustellen, dass die Projektleitung über das erforderliche Fachwissen und über methodische Fähigkeiten verfügt, um Projektinhalte nachvollziehen und das Projektergebnis qualitativ vertreten zu können.  

 

Im Rahmen der Datenerhebung ist zu erwähnen, dass nicht nur eine Person alleine für die Identifikation von Datenquellen und der dahinter liegenden Datenqualität verantwortlich ist, sondern die Arbeit und Verantwortung über mehrere Köpfe verteilt wird. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich die Datenerhebung über mehrere Abteilungen erstreckt. Daher sollten Führungskräfte der betroffenen Abteilungen rechtzeitig hinzugezogen werden, um diejenigen Personen für das Projektteam vorzuschlagen, die wesentlich zur Zielerreichung beitragen können. Zudem haben Führungskräfte in aller Regel einen guten Überblick zur vorherrschenden Datenlage und -qualität in ihrem Verantwortungsbereich und können abschätzen, ob eine Datenquelle grundsätzlich für Bilanzierungszwecke geeignet ist und ob die Zeitplanung für die Datenerhebung im Hinblick auf die benötigte Ergebnisqualität realistisch ist.

 

Einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren besteht letztendlich darin, dass die Geschäftsführung hinter dem Projekt steht und der Projektleitung offiziell die erforderlichen Kompetenzen einräumt. Insbesondere in Projekten mit Nachhaltigkeitsbezug ist ansonsten die Zielerreichung in Gefahr, da Prioritäten des Personals generell im kurzfristigen Kerngeschäft liegen. Im Rahmen der Software-Implementierung sollte geprüft werden, ob Meetings mit der Geschäftsführung in sinnvoll getakteten Intervallen als fester Bestandteil der Kommunikation eingeplant werden. Dies gewährleistet die Aufmerksamkeit der Geschäftsführung dem Projekt gegenüber und hilft der Projektleitung dabei, rechtzeitig auf eingetretene Probleme und potenzielle Risiken hinzuweisen.

 

 

Involvierte Kreise informieren

 

Am Ende der Planungsphase empfiehlt es sich, die involvierten Stakeholder über das Vorhaben und deren Rolle im Projekt zu informieren. Hierzu zählen sowohl betriebseigene Abteilungen als auch diejenigen von Mutter- und Tochterunternehmen. Zudem sind Lieferanten, unter Umständen ebenfalls Kunden und Entsorgungsunternehmen, über die gewünschte Mitwirkung frühzeitig zu informieren.

 

Dabei sollten die eigenen Erwartungen an die Ergebnisqualität sowie der Beitrag des jeweiligen Stakeholders zur Zielerreichung klar kommuniziert werden. Dies bindet die involvierten Akteure rechtzeitig in das Vorhaben ein und gibt ihnen den nötigen Spielraum, um wiederum eigene Vorkehrungen treffen zu können.

 

 

FAZIT

 

Die Erstellung von Klima- und Ökobilanzen ist nicht mit alltäglichen Daten zu bewerkstelligen. Ebenso wenig ist die Software für Öko- und Klimabilanzen nicht nur ein Programm, in das sich Unternehmen in der Cloud einloggen oder sich on-prem implementieren lassen. Je nach Zieldefinition erfordert die Realisierung und Anwendung eine umfassende Vorbereitung. Hängen keine nennenswerten Erwartungen von dem Vorhaben ab und man möchte im Grunde „nur“ eine gesetzliche oder vom Kunden auferlegte Pflicht erfüllen, eignen sich zwar Online-Dienste. Diese funktionieren jedoch auch nicht ohne eigene Unternehmensdaten! Setzt man sich spontan an das Thema, sollte man sich im Klaren sein, welche weitreichenden Konsequenzen eine von Beginn an fehlende Planung mit sich führt.

 

Verfolgt ein Unternehmen mit der Einführung einer Software bewusst zuvor definierte Ziele, ist eine solide Planung unumgänglich. Hiervon hängt der Erfolg der darauf basierenden Implementierungsphase und hiermit verbunden die Erreichung der definierten Ziele maßgeblich ab. Hat man sich, wie in Teil 1 des Blogbeitrags beschreiben, mit den verschiedenen Interessensgruppen des Unternehmens sowie mit der Methodik ausreichend auseinander gesetzt, setzt die in diesem Teil beschriebene Planungsphase nahtlos darauf auf. Beachtet man hier die Besonderheiten, die mit der Klima- bzw. Ökobilanzierung einhergehen und richtet diese auf die Ziele aus, hat man sich, sein Unternehmen und alle involvierten Stakeholder bestens auf die eigentliche Implementierungsphase vorbereitet.

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